Ethik im Unternehmen – von denkbar zu machbar 

© Kito Photography

Welche Werte sollen gelten? Diese Gedanken machen wir uns immer wieder im Leben. Und es ist auch eine wichtige Frage für Unternehmen. Fast alle haben sie: festgeschriebene Unternehmenswerte. Aber nur zu oft fehlt es daran, dass die schön an Wände oder Türen geklebten Begriffe auch mit Leben erfüllt werden. Dabei könnten von ethisch agierenden Unternehmen viele profitieren – allen voran die Unternehmen selbst.

Es gibt sie. Gedanken, Überlegungen und Meinungen dazu, wie ethisch oder moralisch ein Unternehmen sein soll, will oder kann. Und auch gute Gründe dafür, sich als Firma ernsthaft mit solchen Themen auseinanderzusetzen. So zeigt zum Beispiel die sogenannte „Aufsichtsrats-Studie“ (von Rochus Mummert) aus dem vorigen Jahr, dass Unternehmen wirtschaftlich nachweislich erfolgreicher sind, wenn sie sowohl nach innen als auch außen ethisch handeln. Und das heißt: nachhaltig zu produzieren, wertschätzend mit MitarbeiterInnen, KundInnen und GeschäftspartnerInnen umzugehen, sich Gedanken um Diversität und Inklusion zu machen oder lokale PartnerInnen zu fördern. Und ganz neu in der Diskussion geht es um die Frage eines „ethischen Whistleblowing“ – aber eines nach dem anderen.
 
 
Gute Gründe fürs ethische Handeln
 
Ein Unternehmen, das ethisch agiert, profitiert – neben der höheren Produktivität – zum Beispiel von seinem Ruf, dem guten Image, das es kommunizieren kann, und erreicht KundInnen, die bewusst konsumieren. Und derer werden es immer mehr. Denn Menschen wollen zunehmend wissen, unter welchen Bedingungen die Dinge hergestellt werden, die sie kaufen oder woher Lebensmittel genau kommen, die sie essen wollen. Und dafür sind sie auch bereit, ein bisschen mehr Geld auszugeben.
Nächster guter Grund für ein ethisches Unternehmertum: Die Anforderungen nachfolgender Generationen an ihre ArbeitgeberInnen haben sich verändert. Sie achten also bei der Wahl ihrer Arbeitsstelle zunehmend auf Atmosphäre und Haltung einer Firma oder Marke. Also sind ethisch agierende Firmen attraktive Arbeitgeberinnen.
Gibt es in einem Unternehmen eine wirklich gelebte Wertschätzungskultur, zeigt sich das auch in geringeren Krankenständen oder einer niedrigen Fluktuationsquote, heißt es außerdem in der schon angesprochenen Studie.
 
 
VOM WOLLEN ZUM TUN
 
Aber. Es gibt halt bei diesem Thema leider auch dieses Aber. Denn in dieser Studie geben die Befragten auch an, dass ihnen zwar bewusst sei, wie wichtig und profitabel das Etablieren von ethischen Prinzipien ist – und gleichzeitig, wie wenig gelebt sie wirklich werden. Das ist sowohl nach innen als auch nach außen schwierig, denn es braucht Authentizität – weder mit dem reinen Versprechen, etwas so oder so zu tun (Stichwort „Greenwashing“), noch mit dem reinen Erstellen eines Firmenleitbildes, ist es getan. Es braucht mehr. Das sagt auch Arbeits- und Kurmediziner Dr. Tobias Conrad: „Das muss natürlich gelebt werden und daran muss man arbeiten. Jeder und jede Einzelne muss sich da einbringen. Dabei ist es ganz wichtig, dass die Führungskräfte auch wirkliche Vorbilder sind.“ Idealerweise fühlen sich dann auch alle MitarbeiterInnen verantwortlich für Compliance. Eine förderliche Arbeitsumgebung ist dann die, in der gegenseitiges Vertrauen herrscht, Fehler passieren dürfen, wertschätzend miteinander umgegangen wird und jede und jeder auch die Verantwortung für das eigene Tun übernimmt. „Es gibt drei Dinge, die wichtig sind, damit vorgegebene oder miteinander erarbeitete Werte auch im Alltag funktionieren: Man muss sie klar kommunizieren, vorleben und darf Regelverletzungen nicht ignorieren“, sagt Conrad.
 
 
HEISSES EISEN: WHISTLEBLOWING
 
Inzwischen ist dazu ein neues Thema in der Diskussion aufgetaucht: Whistleblowing. Und ja, man merkt schon beim Lesen, dass dieser Begriff etwas Heikles an sich hat. Dass das ein Thema sein könnte, von dem man vielleicht lieber die Finger lassen möchte. Aber, denkt man Compliance konsequent weiter und will man, dass sich jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter verantwortlich fühlt, müsste man sich als Unternehmen natürlich auch Hinweise auf Compliance-Verstöße wünschen. Da braucht es Fingerspitzengefühl und viel Aufmerksamkeit, erklärt Tobias Conrad: „Es braucht natürlich viel Mut von Einzelnen, wenn sie Missstände sehen, diese auch aufzuzeigen. Deshalb muss man aufmerksam sein und ein gutes System im Unternehmen etablieren, damit das angstfrei passieren kann.“ Denn logischerweise fürchten manche MitarbeiterInnen Nachteile, wenn sie unbequeme Dinge ansprechen. Für ein Unternehmen ist es aber oft von Vorteil, z.B. etwas über riskante Abläufe zu erfahren.
Ja, dem Ganzen haftet auf den ersten Blick etwas von Denunziantentum an, das soll aber nicht gemeint sein. Vielmehr muss eine echte und ernst gemeinte Compliance-Kultur konsequent weiter- und fertiggedacht werden. Eine Atmosphäre zu schaffen, in der verantwortungsvolle MitarbeiterInnen auf Missstände hinweisen können, statt die Augen zu verschließen, kann eigentlich nicht von Nachteil sein. In Deutschland empfehlen ExpertInnen dafür im Moment elektronische Hinweisgebersysteme, die eine zeit- und ortsabhängige, anonyme Meldungsabgabe ermöglichen. Idealerweise funktioniert das System auch so, dass das Unternehmen dann für Rückfragen mit der Person in Kontakt treten kann und ein geschützter, anonymer Dialog möglich wird. So kann die Person auch auf dem Laufenden gehalten werden, wie das Unternehmen mit dem Hinweis umgeht, und neue Fragen, die sich ergeben, können besprochen werden. Bewährt sollen sich auch zentrale AnsprechpartnerInnen haben, heißt es aus Deutschland, die für grundsätzliche Fragen dazu und für allen Compliance-Themen zur Verfügung stehen.
 
„In Unternehmen zu gehen, wo so eine Kultur wirklich gelebt wird, das ist wirklich schön“, sagt Tobias Conrad. „Denn dort kann man deutlich sehen, dass der Erfolg eines Unternehmens eben nicht nur durch Zahlen bestimmt und definiert wird, sondern dass es da noch um ganz andere Dinge geht.“ Nein, vielmehr geht es dann eben um einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen, MitarbeiterInnen oder KundInnen.
 
Und profitieren können und werden langfristig gesehen alle davon – es lohnt sich also, als Unternehmen der eigenen Ethik auf die Spur zu kommen. Denn Unternehmensethik ist nicht nur denk-, sondern auch machbar.
 
 
Mag. Ursula Neubauer
Journalistin, Texterin und Hypnosystemikerin